Ein Sport für alle
Rollstuhlbasketball ist ein inklusiver Sport. Menschen mit und ohne Behinderung spielen unabhängig vom Geschlecht – auch bei den BG Baskets Hamburg. Die HSV-Spieler:innen sehen ihre Aufgabe nicht am Spielfeldrand beendet und sorgen an Schulen und in Unternehmen für spannende Perspektivwechsel.
Es geht zur Sache. Reifen quietschen, Metall schlägt gegen Metall, Schreie, Jubel – Rollstuhlbasketball ist ein Sport voller Action. Wer schon einmal ein Spiel live angeschaut hat, weiß um das besondere Tempo, die Intensität, die scheinbare Leichtigkeit, mit der die Spieler:innen auf der Jagd nach dem Ball unterwegs sind. Und Rollstuhlbasketball ist mehr als nur Spaß: Es ist der wohl inklusivste Sport und ein idealer Botschafter für ein barrierefreies, offenes Miteinander.
Rund 100 Sporttreibende sind aktuell in der Rollstuhlsportsparte des Hamburger Sport-Verein e.V. aktiv. Sie trainieren sowohl in den Bereichen Basketball, Wheelsoccer und Handbiken als auch im Breiten- und im Leistungssport – Stützpunkt ist die Dreifeld-Sporthalle im Stadtteil Horn. Im Basketball gibt es aktuell vier Mannschaften, in denen Menschen mit und ohne Behinderung zusammenspielen, unabhängig vom Geschlecht. An den Spieltagen der ersten Mannschaft in der Inselpark-Arena, der Multifunktionshalle auf der Elbinsel in Wilhelmsburg, ist schnell erkennbar: intensiver Sport auf hohem Niveau – und nicht nur die Halle ist barrierefrei. „Die Heimspiele sollen zu einem Ort der barrierefreien Begegnung und Kommunikation werden“, sagt David Schulze, Koordinator der BG Baskets Hamburg. Nicht zuletzt mit dem Slogan „#NORDISCHINKLUSIVE – Wir geben Ausgrenzung einen Korb“ rufen die BG Baskets zu Integration, einem gelebten Miteinander und bunter Vielfalt auf. Die Spieler:innen seien Paradebeispiele für Integration und Inklusion, die die Werte des HSV hervorragend vermittelten, sagt David.
Die Heimspiele sollen zu einem Ort der barrierefreien Begegnung und Kommunikation werden.
David Schulze
Maya Lindholm: Vom Zufall zur paralympischen Heldin
Genau so ein Vorbild ist Maya Lindholm. Im Alter von 13 Jahren wurde ihr eine Erkrankung am Rückenmark diagnostiziert, seitdem ist sie auf den Rollstuhl angewiesen. Zum Basketball kam die mittlerweile 33-Jährige durch einen Zufall. Peter Richarz, heute Co-Trainer, traf sie damals in der Reha. Er riet ihr, mit einem Sport zu beginnen – und hatte auch eine Idee. Rollstuhlbasketball war die erste Sportart, die Maya ausprobierte. Erst hatte sie keine Lust. „Ich war richtig unsportlich“, sagt sie heute und lacht. Doch nach der ersten Skepsis merkte sie: Oh, das macht Spaß – und ich kann das ziemlich gut. Maya blieb dabei und ist heute für die BG Baskets Hamburg in der 1. Rollstuhlbasketball-Bundesliga aktiv. Ende der Nullerjahre wurde sie sogar Nationalspielerin, gewann im Jahr 2009 den Europameistertitel, drei Jahre später die Goldmedaille bei den Paralympischen Spielen und war auch 2016, 2021 und zuletzt im Sommer 2024 bei den Paralympics in Paris dabei. „Paris war ein Fest“, sagt sie. 14.000 Fans in der Halle, die komplett eskalierten, wie es Lindholm lachend beschreibt.
„Das ist der perfekte inklusive Sport“, sagt die langjährige Kapitänin der BG Baskets. „Der Rollstuhl ist ein Sportgerät wie ein Badminton-Schläger“, sagt sie. Und tatsächlich ist es ja das Besondere an dieser Sportart, dass Menschen mit und ohne Behinderung in der Meisterschaft zusammenspielen – und es von außen nicht erkennbar ist. In Lindholms Team sind aktuell zwei Nichtbehinderte dabei.
Rollstuhlbasketball ist der perfekte inklusive Sport.
Maya Lindholm
„Die Kraft des Sports als Mittel der Inklusion“
Doch es zieht die HSV-Roll­stuhl­basket­baller:innen auch nach draußen. Sie wollen zeigen, wie aktiv man im Rollstuhl am Leben teilhaben kann. Und auch helfen, Vorurteile und Berührungsängste abzubauen. 50 Schulen wurden in der Saison 2023/24 besucht, dazu gibt es Workshops und Aktionstage – im Volksparkstadion, aber auch bei Hamburger Unternehmen. Zudem beraten die Sportler:innen in Workshops junge Menschen, die ihr Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) absolvieren. Besonders spannend ist dabei der Rollenwechsel, wenn Nichtbehinderte sich in den Rollstuhl setzen. „Manche brauchen ein paar Minuten, um die Scheu abzubauen“, sagt David. Doch dann gehe es meist direkt zur Sache, auf dem Platz oder bei Übungen etwa in Sporthallen. Es sei schön zu sehen, wie dieser Wechsel helfe, Menschen im Rollstuhl besser zu verstehen.
Bei diesen Veranstaltungen ist Alireza Ahmadi direkt nach seiner Ankunft in Hamburg eingestiegen. Ins kalte Wasser springen, in den Kontakt kommen, das hat ihm geholfen – beim Ankommen, beim Lernen der deutschen Sprache. Alireza, im Iran geboren, kam im Jahr 2017 nach vielen Stationen im Ausland mit einem Visum nach Hamburg, mittlerweile hat er die deutsche Staatsbürgerschaft. Heute ruft der 48-Jährige seine Anweisungen mal von der Seitenlinie, mal direkt vom Feld an die Mitspielenden. Denn Alireza geht in seine sechste Saison als Spielertrainer der BG Baskets Hamburg. Und so kann er heute bei den Besuchen in Schulen, Unis oder Unternehmen ganz selbstverständlich auf Deutsch über das Leben im Rollstuhl berichten, aber auch über seinen geliebten Sport und wie dieser hilft, Menschen mit und ohne Behinderung und aus unterschiedlichen Kulturen zusammenzubringen.
Der HSV bietet auch Teambuilding-Kurse an: Hier wird vermittelt, wie Stärken und Schwächen im Team bearbeitet werden können. „Dabei zeigt sich die Kraft des Sports als Mittel der Inklusion, seine Dynamik und die Chance, die ein Miteinander auf Augenhöhe bietet“, sagt David. Die Rollstuhlsparte bietet auch eine Kinder- und Jugendgruppe an – die jüngsten Teilnehmenden sind sechs Jahre alt. Sportrollstühle werden vom HSV zum Einstieg bereitgestellt. Das ist gut für Newcomer:innen, schließlich kosten Einsteigerrollstühle gern schon mal 2.000 Euro, Sportgeräte wie das von Maya kosten rund 10.000 Euro.
Barrierefreie Angebote für alle
David hofft, dass immer mehr solcher Angebote entstehen und somit an weiteren Standorten niedrigschwellige Sportangebote in barrierefreien Hallen möglich werden. Noch ist es ein weiter Weg. Maya freut sich, wenn sie mit ihrem Sport, aber auch mit den Workshops anderen zeigen kann, dass es manchmal gar nicht viel braucht für ein gutes Miteinander für alle. „Mitdenken, die Augen offen haben, keine Angst vor Fettnäpfchen – das hilft einem Menschen im Rollstuhl schon sehr.“
Seit Oktober 2024 läuft die neue Saison in der 1. Rollstuhlbasketball-Bundesliga. Wer live dabei sein will, findet hier den Spielplan für die BG Baskets Hamburg. Ein Team von Ehrenamtlichen bietet zudem einen kostenlosen Livestream aller Heimspiele an.
SDGs?
SDGs ist die Abkürzung für Sustainable Development Goals. Es handelt sich um 17 globale Ziele für nachhaltige Entwicklung, die von den Vereinten Nationen verabschiedet wurden.