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Fotos: Witters

Hoch hinaus

Hoch

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Der HSV hat sein Stadion fit gemacht für die Zukunft. Dabei immer im Blick: Nachhaltigkeitsaspekte. Ein Rundgang mit den Verantwortlichen des Umbaus, der bis unters Dach führte.

Es geht nach oben: Die vielen Treppen der Osttribüne und fünf Stufen einer Aluleiter hinauf, durch eine Metalltür – dann ist man auf dem Catwalk. Dieser gut einen Meter breite Laufsteg führt in etwa 40 Metern Höhe einmal rund um das Spielfeld im Volksparkstadion. Unterm Dach mit dabei: Daniel Nolte (Direktor Organisation | Prokurist) und Christian Lenz (Leiter Projektmanagement und Quartiersentwicklung). Die beiden stehen in luftiger Höhe auf dem leicht schaukelnden Weg, Vögel fliegen vorbei. Von hier ist der Blick frei auf einige Bereiche, in denen die HSV Fußball AG (HSV) ihre Spielstätte von Ende 2022 bis Sommer 2024 aufwendig modernisiert hat – eine der zentralen Aufgaben von Daniel und Christian. Die Dachmembran, das Flutlicht, die Beschallungsanlage des Stadions, alles neu. „Der Umbau war schon sportlich – aber er hat sich gelohnt“, sagt Daniel und schaut zufrieden in das Innere des Stadions.

Das alte Volksparkstadion wurde von 1998 bis 2000 grundlegend umgebaut, um 90 Grad gedreht und zu einem reinen Fußballstadion umgewandelt. Seitdem gab es keine Bauprojekte in dieser Größenordnung. Rund 27 Millionen Euro hat der HSV jetzt in die Modernisierung seines Volksparkstadions gesteckt. Daniel Nolte und Christian Lenz haben mit ihren jeweiligen Teams und den unterschiedlichen Gewerken dafür gesorgt, dass das Stadion fit wird für die UEFA EURO 2024 – aber vor allem für die Zukunft.

Das Stadionerlebnis verbessern und gleichzeitig den Stadionbetrieb nachhaltiger gestalten

Bei den Baumaßnahmen hatte das Team um Daniel und Christian immer verschiedene Nachhaltigkeitsaspekte im Blick. Unterschiedliche Lösungsansätze wurden in Hinsicht auf Umweltkriterien und Sozialfragen überprüft und natürlich auch auf ökonomische Aspekte. „Wir wollen das Stadionerlebnis verbessern und den Stadionbetrieb nachhaltiger gestalten“, sagt Christian. Für die baulichen Maßnahmen habe es im Wesentlichen drei Rahmenvorgaben gegeben: behördliche Vorgaben, verbandsrechtliche Vorgaben von der DFL oder der UEFA und die Anforderungen vom HSV selbst.

Hier oben, 40 Meter über dem Rasen, ist das weiße Dach des Stadions fast zum Greifen nah. Nach mehr als 20 Jahren Nutzung stand der planmäßige Austausch an. Gemäß den Herstellerangaben muss eine solche PVC-Membran nach 20 bis 25 Jahren je nach äußeren Einflüssen ausgetauscht werden. Der HSV ließ die Dachmembran mit ihren 40 Feldern, jeweils circa 800 Quadratmeter groß, vollständig austauschen. Das Recycling der alten Membran hat das HSV-Team dabei mitgedacht: Am Ende der Lebenszeit wurden 39.696 Kilogramm der Membran zu recyceltem Mahlgut umgewandelt, das zum Beispiel für PVC-Folien wiederverwertet wird. Aus den übrigen 9.660 Kilogramm der Membran wurden Kunststoffmatten hergestellt. Viele Teile der sonstigen Dachkonstruktion, etwa Metallstreben und Schrauben, konnten nach einer technischen Prüfung wieder eingebaut werden. „Wir haben bewusst Material wiederverwendet, um Ressourcen zu schonen“, sagt Daniel Nolte. Die neue Membran soll rund 25 Jahre halten. Eine Photovoltaikanlage auf dem Dach hätte man gern umgesetzt, sagen die beiden Umbauverantwortlichen. Weil die Dachmembran elastisch ist und sich beispielsweise bei Wind bewegt beziehungsweise um bis zu zehn Prozent ausdehnt, lässt sich darauf allerdings keine Anlage oder statische Folie anbringen.

Christian Lenz und Daniel Nolte gehen weiter auf dem stählernen Catwalk. Christian bleibt bei einem der neuen Flutlichtmodule stehen. In jedem der 300 Leuchtenköpfe sind zehn Leuchten auf den Stadioninnenraum gerichtet insgesamt also 3.000 LED-Strahler, die mehr als 2.000 Lux Leuchtleistung auf den Platz bringen. Der Austausch der alten Spielfeldbeleuchtung stand schon länger auf der Agenda beim HSV. Als die Stadt Hamburg mit dem Volksparkstadion den Zuschlag für fünf Spiele der UEFA EURO 2024 bekam, war klar: Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen. Die neue Lichtanlage verbraucht trotz höherer Beleuchtungsstärke weniger Strom und arbeitet damit deutlich effizienter. Das ist wichtig, verlangen die UEFA und die DFL für die TV-Übertragungen doch bestimmte Lux-Zahlen, also eine Mindesthelligkeit, welche vorher nur gemäß den aktuellen Anforderungen an die 2. Bundesliga erreicht wurde. Die neue Beleuchtungsanlage kann aber noch mehr. Denn es ist möglich, sie dynamisch und farblich zu steuern und so im Stadion für eine fantastische Lichtshow zu sorgen. Was dieses „Mehr“ bedeutet, konnten die Stadionbesuchenden an einem besonderen Tag der jüngeren HSV-Geschichte sehen. Am 21. April 2023, kurz nach dem 4:3 gegen den Stadtrivalen aus St. Pauli, feierte die Mannschaft gerade mit den Fans, als das hellweiße Flutlicht ausging und das Stadion blau leuchtete. Jubel, staunende Gesichter, Zehntausende gezückte Handys.

Zusätzlich zum Flutlicht ist nun auch die Beschallung im Volksparkstadion State of the Art. Von oben, in 40 Metern Höhe, sehen sie unscheinbar aus, die schwarzen „Bananen“. So nennt Christian Lenz die 30 Lautsprecheranlagen, die unter dem Dach hängen und in denen jeweils bis zu zwölf Einzellautsprecher montiert sind. Rund ums Dach hängen insgesamt 240 Einzellautsprecher. Mit den 77 Lautsprechern in Ebene 2 und 69 Verstärkern in Ebene 5 sorgt das für ein ganz neues Klangerlebnis. „Unser Stadionsprecher hat nach dem ersten Spiel erzählt, dass ihn jetzt sogar Bekannte in Fernsehübertragungen verstehen können“, sagt Christian und lacht. Nicht nur das Klangerlebnis ist besser, durch das sogenannte Array Processing können außerdem bestimmte Bereiche der Tribüne unterschiedlich laut beschallt werden. Bei der UEFA EURO 2024 war es etwa auf der erweiterten Pressetribüne leiser als in den sonstigen Bereichen für Zuschauende.

Nach Vorgabe der UEFA musste eine weitere Maßnahme umgesetzt werden: In den VIP-Bereichen und darüber hinaus in einem Teil der Geschäftsstelle wurden Klimaanlagen eingebaut, mit denen ein zusätzlicher Energieaufwand einhergeht. Die Anlagen laufen wie alles an der Uwe-Seeler-Allee 9 mit 100 Prozent Ökostrom. Das HSV-Team würde gern auf die Selbstversorgung mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen hinarbeiten. Aber Lösungen, die in Bürogebäuden oder Einfamilienhaussiedlungen helfen – also etwa Stromspeicher oder ein Blockheizkraftwerk, sind hier im Stadion aufgrund der wenigen Belastungsspitzen mit hohem Verbrauch nicht ideal.

Stadionerlebnis für alle

Bei der Stadionmodernisierung ging es auch darum, das Stadionerlebnis für Personen mit unterschiedlichen Bedürfnissen zu verbessern. Das können nun mehr Fans erleben, die in einem Rollstuhl zum Spiel kommen die Anzahl der Plätze für Rollstuhlfahrende wurde von 75 auf 130 erhöht.

Alle Fans profitieren davon, dass die Anzahl der Toiletten um circa 50 Prozent aufgestockt wurde. In den neuen Männertoiletten gibt es wasserlose Urinale. Zudem gibt es hinter der Südtribüne jetzt eine „Toilette divers“, die unabhängig vom eigenen Geschlecht aufgesucht werden kann. Die Umbauten werden komplettiert von einer „Toilette für alle“ im südlichen Umlauf des Volksparkstadions. Diese Sanitäranlage ist speziell auf die Bedürfnisse von Menschen mit komplexen und mehrfachen Behinderungen ausgelegt.

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Es gibt immer Verbesserungspotenzial und technische Neuerungen

Wichtig ist den Verantwortlichen, Nachhaltigkeit im Stadion ganzheitlich zu betrachten. Daniel und Christian wollen den Weg weiter gehen und bei jeder neuen Maßnahme das Beste für Fans, Umwelt und den HSV erreichen. Sie bleiben dran. Die neue Technik im Volksparkstadion erhöht darüber hinaus die Attraktivität für Drittveranstaltungen. „Auch das ist Nachhaltigkeit“, sagt Daniel Nolte. Eine häufigere Nutzung des Stadions ermöglicht die Investition in Infrastruktur, deren Einsatz sich für eine reine Nutzung als HSV-Spielstätte nicht rechnen würde.

Das HSV-Team widmet sich schon den nächsten Ideen. Ein Hebel wäre, die Leuchtmittel im Gebäudeinneren komplett gegen LEDs zu tauschen. Ein weiterer Hebel könnte die Sonne sein, da es mittlerweile auch Photovoltaikelemente für Fassaden gibt. „Wir beschäftigen uns damit, wo wir an Fassaden oder auf überdachten Stellplätzen in den nächsten Jahren Kapazitäten aufbauen könnten“, sagt Christian. Bis Sommer 2025 wird der HSV ein Energiemanagementsystem nach DIN EN ISO 50001 (2018) einführen.

HSVtv: Volksparkstadion 2.0 – Modernisierungsarbeiten im Volkspark

SDGs?

SDGs ist die Abkürzung für Sustainable Development Goals. Es handelt sich um 17 globale Ziele für nachhaltige Entwicklung, die von den Vereinten Nationen verabschiedet wurden.

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