Das Foto zeigt die HSV-Frauenmannschaft, die sich vor dem Spiel in einem Kreis auf dem Spielfeld versammelt hat. Die Spielerinnen stehen eng beieinander, haben die Arme umeinandergelegt und stimmen sich gemeinsam ein. Im Hintergrund ist das Stadion mit zahlreichen HSV-Fans zu sehen, die in blauer Kleidung und mit Schals ihr Team unterstützen.

Fotos: Witters

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Im Zeichen der Raute

Ein Gespräch mit Laura Ludwig, Vizepräsidentin des Hamburger Sport-Verein e.V., und mit Stefan Kuntz, Vorstandsmitglied der HSV Fußball Management AG, über die Entwicklung der HSV-Fußballerinnen und Gleichberechtigung im Sport.

Moin Laura, moin Stefan. Am 23. März 2025 haben die HSV-Frauen im DFB-Pokal vor ausverkauftem Haus im Volksparkstadion Geschichte geschrieben. Zum Abschluss der Saison 2024/25 folgte ein weiterer historischer Meilenstein: der Doppelaufstieg des Männer- und des Frauenteams in die Bundesliga mit gemeinsamen Feierlichkeiten auf dem Hamburger Rathausmarkt. Was haben diese besonderen Ereignisse persönlich mit euch gemacht?

Auf dem Foto ist Laura Ludwig, Vizepräsidentin des Hamburger Sport-Verein e.V., zu sehen. Sie lächelt in die Kamera, hat kurze blonde Haare und steht vor einem blauen Hintergrund. Sie trägt eine dunkelblaue Jacke mit einem kleinen weißen Logo sowie ein weißes T-Shirt.

Laura Ludwig: Das Pokalspiel war überwältigend. Ich hatte auf eine starke Kulisse gehofft, aber nicht unbedingt in dieser Dimension damit gerechnet. Und es war ja nicht so, dass das Publikum nur im Volksparkstadion war, weil es gerade „in“ war und ist, zum HSV zu gehen, sondern es war echte Identifikation. Diese Stimmung, diese Atmosphäre war ein berauschendes Gemeinschaftsgefühl und hat mir Gänsehaut beschert. Das war ein emotionaler Meilenstein für das Frauenteam und alle Mitarbeitenden, die diese Entwicklung seit Jahren vorantreiben. Dazu war es ein Signal: Der Frauenfußball gehört auf die große Bühne.

Auf dem Foto ist Stefan Kuntz, Vorstandsmitglied der HSV Fußball AG, zu sehen. Er ist ein Mann mittleren Alters mit kurzem Haar, steht vor einem Gitter im Hintergrund und trägt eine dunkelblaue Trainingsjacke mit weißen Streifen. Freundlich lächelnd blickt er in die Kamera.

Stefan Kuntz: Dem kann ich mich anschließen. Und genau diese Gänsehautmomente gab es dann Mitte Mai nach dem Doppelaufstieg noch einmal. Nein: mehrfach. Ich habe in meinem Leben ja schon viel miterlebt, was Begeisterungsfähigkeit von Menschen betrifft, auf dem Platz, auf den Rängen und auch in der Stadt. Unser Frauen- und unser Männerteam Seite an Seite feiern zu sehen, war ein starkes Zeichen für Gleichberechtigung im Sport und für die Werte, die wir als HSV vertreten.

In der Saison 2025/26 ist das Volksparkstadion das Zuhause für beide Bundesliga-Teams. Warum ist das ein so wichtiges Zeichen – und was macht die Heimspiele der HSV-Frauen besonders?

Stefan Kuntz: Uns war schnell klar: Wenn wir den Anspruch haben, den Frauenfußball ernsthaft zu fördern, müssen wir das auch sichtbar machen. Das Volksparkstadion ist ein Ort voller Geschichte und Emotion, und dieser Ort steht künftig auch für die Geschichte, die die HSV-Frauen weiterschreiben werden. Für uns war das keine rein organisatorische Entscheidung, sondern ein Werteversprechen. Zugleich haben wir aber auch beschlossen, dass die Frauenspiele in unserer großen Heimspielstätte keine Männer-light-Kopie darstellen sollen. Wir waren uns allesamt einig, dass die Heimspiele der Frauen ein ganz eigenes Spieltagserlebnis sind, welches auch hier mit Geduld eine eigene Fankultur und Stadionatmosphäre entwickeln soll. Wir betrachten unsere Entscheidung auch heute noch als eindeutiges Bekenntnis. Und tatsächlich haben die Heimspiele unseres Frauenteams schon jetzt, obwohl es noch gar nicht so viele Heimpartien gab, eine ganz eigene Atmosphäre hervorgebracht. Eine besondere, die wir weiter gestalten und ausbauen möchten.

Wie lässt sich diese Entwicklung im größeren Kontext von Frauen im Spitzen- und Amateursport einordnen? Was kann der Fußball auch von anderen Sportarten lernen?

Laura Ludwig: Wir erleben im Fußball gerade ein starkes Momentum. Nicht nur beim HSV, sondern in vielen Vereinen, Ligen und Verbänden. Es ist großartig, dass wir wieder mehr Mädchen dafür begeistern können. Aber: Von Gleichberechtigung kann man erst sprechen, wenn die Wertschätzung und damit einhergehend die Sichtbarkeit und der Einsatz von Ressourcen selbstverständlich sind – dauerhaft und nicht nur punktuell. Andere Sportarten wie Handball, Hockey, Tennis oder auch Volleyball waren in Teilen früher dran: Dort wurde frühzeitig auf gemeinsame Nachwuchsarbeit gesetzt und die Leistungen von Sportlerinnen wurden auf Augenhöhe zu den Sportlern eingeordnet. Es ist gut, dass diese Sichtweise auch im Fußball an Bedeutung gewinnt – sie muss aber weiter verankert werden, damit Gleichberechtigung generell zur Normalität wird.

Die HSV-Frauen wurden zum 1. Juli 2025 in die HSV Fußball AG & Co. KGaA eingegliedert. Welche Bedeutung hat dieser Schritt?

Laura Ludwig: Er ist eine klare Botschaft der weiteren Professionalisierung und untermauert den eingeschlagenen Weg. Die Strahlkraft für den Mädchen- und Frauenfußball ist riesig: Junge Sportlerinnen sehen ihre Vorbilder an dem Ort, an dem sie vorher nur Männer haben spielen sehen. Das verändert Perspektiven und schafft neue Identifikation. Gleichzeitig wächst eine junge Generation heran, für die es bald völlig normal ist, dass Frauen im Volksparkstadion Fußball spielen. Genau diese Selbstverständlichkeit brauchen wir.

Stefan Kuntz: Absolut richtig. Wir wollen für die jungen Mädchen und Frauen Vorbilder schaffen. Nach dem großen Pokalspiel gegen Bremen hatten sich schon viele Nationalspielerinnen und erfahrene Bundesliga-Frauen aus unterschiedlichen Städten gemeldet und den HSV für seinen Austragungsort und seine Vorreiterrolle gelobt. Das darf und wird aber nicht das Ende sein. Wir unternehmen sehr viel, um im Frauenfußball ein Leuchtturm des Nordens zu werden.

Auf der Mitgliederversammlung am 21. Juni 2025 wurde ein Antrag auf Satzungsänderung des Hamburger Sport-Verein e.V. zur Umsetzung einer geschlechterdiversen Besetzung der Gremien angenommen. Daraus geht unter anderem hervor, dass in jedem Gremium mindestens zwei Geschlechter vertreten sein sollen. Warum ist das wichtig?

Laura Ludwig: Vielfältige Sichtweisen und unterschiedliche Erfahrungen führen oft zu besseren Entscheidungen. Das gilt für die Gremienarbeit genauso wie im Sport, im Beruf oder im gesellschaftlichen Miteinander. Persönlich empfinde ich es als unglaublich wertvoll, wenn beispielsweise Frauen und Männer gemeinsam an einem Ziel arbeiten. Genau wie die Arbeitsgruppe, die lange an der Ausarbeitung der Satzungsänderung saß, freuen Henrik, Michael und ich uns als Präsidium sehr, dass der Antrag angenommen wurde und die HSV-Mitglieder ihr klares Bekenntnis dazu abgegeben haben. Damit setzen wir als HSV ein deutliches Zeichen dafür, dass Gleichberechtigung kein Anspruch auf dem Papier, sondern gelebte Realität ist und Frauen Führungspositionen anstreben, ausfüllen und gestalten.

Inwiefern ist der Einbezug von vielfältigen Perspektiven ein Mehrwert für den HSV und wo findet das statt?

Stefan Kuntz: Ich würde gern die Gegenfrage stellen: Bei welchen erfolgreichen Entwicklungen haben eindimensionale Betrachtungen einen Mehrwert gebracht? Uns helfen kontroverse Diskussionen, unterschiedliche Perspektiven und Wahrnehmungen in allen Bereichen. Vielfalt ist kein Selbstzweck, sondern ein Motor für Weiterentwicklung. Wenn wir verschiedene Lebensrealitäten und Blickwinkel im Verein zusammenbringen, stärken wir unsere Wertegemeinschaft, und das merkt man auf dem Platz, in den Gremien und in der ganzen HSV-Familie.

Welche Entwicklungen benötigt es aus euren unterschiedlichen Erfahrungen und Perspektiven hin zu einem vielfältigeren Sport?

Stefan Kuntz: Wir brauchen weiterhin mutige und geduldige Entscheiderinnen und Entscheider, die authentisch sind und hinter ihren Entscheidungen stehen und diese nicht nur zum Schein treffen.

Laura Ludwig: Neben mutigen Entscheiderinnen und Entscheidern braucht es junge Menschen, die Chancen bekommen und wahrnehmen können. Da in unserem Gespräch der Fokus auf Frauen im Fußball und im Sport liegt, möchte ich mich an die Mädchen und die jungen Frauen wenden: Ihr seid die Zukunft! Vertraut euren Stärken, geht euren Weg und habt den Mut, groß zu träumen. Vor 60 Jahren war das Fußballspielen für Frauen noch verboten. Und heute? Heute spielen sie im Volksparkstadion in der Bundesliga. Das zeigt, dass wir alle schon so viel geschafft und bewegt haben und die nächsten Schritte folgen werden. Beim HSV wollen wir diese Entwicklung aktiv vorantreiben und Mädchen und Frauen auch in anderen Sportarten noch stärker fördern. Nicht, weil wir es müssen, sondern weil wir davon überzeugt sind, dass es richtig ist. Mich motiviert diese Arbeit sehr.

Vielen Dank euch beiden für das Gespräch!

SDGs?

SDGs ist die Abkürzung für Sustainable Development Goals. Es handelt sich um 17 globale Ziele für nachhaltige Entwicklung, die von den Vereinten Nationen verabschiedet wurden.

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