Mehr als Fußball
Jobina Lahr, Spielerin HSV-Frauen
Fotos: Witters
Nicolai Remberg, Spieler HSV-Herren
Ein Gespräch mit Jobina Lahr, Spielerin HSV-Frauen, und Nicolai Remberg, Spieler HSV-Herren, über ihre Berührungspunkte mit Nachhaltigkeit im Profialltag.
Moin Jobina, moin Nicolai. Die Saison 2024/25 war eine besondere. Für die HSV-Frauen gab es neben dem Aufstieg vor allem ein weiteres Highlight im DFB-Pokal. Wie habt ihr das Spiel unserer HSV-Frauen gegen den SV Werder Bremen erlebt?
Jobina: Ich durfte dieses historische Pokalspiel live auf dem Platz erleben – und so eine Kulisse ist einfach magisch. Die Energie der Fans trägt dich und gibt dir noch einmal zusätzliche Kraft. Dieses Gefühl aktiv mitzunehmen, war für mich etwas Einmaliges und unglaublich Besonderes.
Nicolai: Anders als Jobina war ich zum Zeitpunkt des Spiels noch nicht beim HSV. Vor allem aufgrund der Rekordkulisse habe ich die Berichterstattung rund um das Spiel jedoch auch aus der Ferne wahrgenommen. Man spürt, dass es für das Team, aber auch für den gesamten Verein ein echtes Highlight war – auch wenn das Spiel leider knapp verloren ging.
Chancengleichheit geht über das Geschlecht hinaus. Der HSV setzt regelmäßig klare Zeichen gegen Rassismus und für Vielfalt – inwiefern spielt das eine Rolle für euch und in euren Mannschaften?
Nicolai: Eine Fußballkabine beschreibt meiner Meinung nach am besten, wie es im Leben laufen sollte: Da treffen Menschen aus verschiedenen Ländern mit unterschiedlichen Kulturen und Sprachen aufeinander, um am Ende des Tages gemeinsam an einem Strang zu ziehen, um ein Spiel zu gewinnen. Das sollte stellvertretend für die Gesellschaft stehen. Egal, welches Geschlecht, welche Hautfarbe, Herkunft oder Sprache – alle Menschen sollen und müssen gleichbehandelt werden und können darüber hinaus als Gruppe funktionieren, ohne dass man jemanden benachteiligt oder ausgrenzt.
Jobina: Auch für mich zählt ganz klar: Jeder Mensch ist gleichwertig. Jede und jeder bringt eigene Stärken und Schwächen ein – und genau das macht ein Team so stark. Nur, wenn sich alle als Teil des Ganzen fühlen und gleichbehandelt werden, kann man auch erfolgreich sein. Vielfalt ist deshalb nicht nur wichtig, sondern ein echter Schlüssel zum Erfolg.
Als professionelle Fußballspielerin und professioneller Fußballspieler steht ihr häufig im Rampenlicht und damit auch in einer Vorbildrolle. Wie wichtig ist es für euch, auch ein Vorbild für junge Fans zu sein?
Nicolai: Dieser Rolle sind wir uns bewusst. Das fängt bei uns bei den öffentlichen Trainingseinheiten an, indem wir uns nach dem Training ausreichend Zeit für Autogramme und Fotos mit den Fans nehmen. Vor allem die kleinen Kinder stehen da mit strahlenden Augen am Platz und eifern uns nach, da wollen und müssen wir etwas zurückgeben, auch wenn es vermeintlich nur Kleinigkeiten sind. Diese können bei den Kids aber Großes bewirken und bleibenden Eindruck hinterlassen. Das sollten wir uns immer wieder vor Augen führen – und es gehört auch einfach zu unserem Job dazu.
Jobina: Mir ist es wichtig, offen zu zeigen, wer ich bin und wofür ich stehe. Ich möchte jungen Mädchen Mut machen, dass „Anderssein“ kein Hindernis ist, wenn man seine Träume verfolgt. Auf und neben dem Platz will ich genau das vorleben: dass man sich nicht verstecken muss, sondern stolz auf seinen eigenen Weg sein darf.
Personen im öffentlichen Leben erhalten aber nicht nur gute Zuschriften. Wie geht ihr mit Hass um, der euch im Netz, auf dem Platz oder in eurem Privatleben entgegengebracht wird?
Nicolai: Da muss in erster Linie natürlich erst mal jeder für sich seinen Umgang finden. Manche lesen sich alles durch, andere wiederum gar nichts. Ich habe für mich da einen guten Mix gefunden. Ich informiere mich schon, was in den Medien und den sozialen Netzwerken über mich und unsere Mannschaft geschrieben wird – alles aber mit der nötigen Distanz. Ich kann das auch ganz gut einordnen und lasse es nicht zu sehr an mich heran. Da ist mir das persönliche Feedback aus meinem direkten Umfeld, also von Leuten, die mich gut kennen und mein Handeln richtig einschätzen können, deutlich wichtiger. Aber soziale Medien gehören heutzutage auch einfach zum Profifußball dazu, davor darf man nicht komplett die Augen verschließen.
Jobina: Ich lese auch recht viel, lasse es aber nicht mehr so nah an mich heran. Natürlich verletzen manche Kommentare, aber ich habe gelernt, damit umzugehen. Mit der Zeit entwickelt man eine gewisse Stärke und Gelassenheit – und man weiß, was wirklich wichtig ist.
Im Sport ist die mentale und körperliche Gesundheit ein wichtiger Faktor. Welche Rolle spielt das Thema mentale Gesundheit im Profifußball?
Nicolai: Ich habe eben gesagt, dass soziale Medien heutzutage einfach dazugehören. Das betrifft natürlich auch die mediale Aufmerksamkeit rund um diesen Verein. Das ist für mich noch mal eine ganz andere Nummer als in Kiel oder in Münster. Hamburg ist eine Medienstadt – bei jedem Training stehen Journalistinnen und Journalisten am Platz, wir haben regelmäßig Interviews. Neben dem Leistungsdruck stehen wir also auch dauerhaft im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Da hilft es extrem, wenn du vom Kopf her jeden Tag frisch und maximal auf Zack bist – alles gepaart mit der nötigen Lockerheit. Bei aller Ernsthaftigkeit darf man niemals die Freude und den Spaß am Fußball verlieren. Wenn man mit guter Laune zum Training kommt, macht man schon vieles richtig. Ein positives Mindset ist in unserem Job sehr hilfreich und erhöht die Wahrscheinlichkeit des Erfolgs.
Jobina: Für mich persönlich ist die richtige Mischung entscheidend, aber gerade mentale Stärke ist im Profifußball ein Schlüsselfaktor. Besonders junge Spielerinnen stehen früh unter Druck – im Frauenfußball fehlt der A-Juniorinnen-Bereich, darum startet man mit 16 Jahren direkt bei den Frauen. Das ist eine komplett neue Welt, in der man lernen muss, sich zurechtzufinden. Ein starkes Mindset ist da genauso wichtig wie jedes Training auf dem Platz.
Und wie sieht es bezüglich der körperlichen Gesundheit aus? Worauf achtet ihr und welche Aspekte spielen in eurer Ernährungswahl eine Rolle?
Jobina: Ich achte sehr bewusst auf meinen Körper. Ausreichend Schlaf, eine proteinreiche Ernährung und die richtige Vorbereitung gehören für mich zur Routine. Vor Spielen setze ich abends auf langkettige Kohlenhydrate, um optimal Energie zu haben. Zusätzlich mache ich gezieltes Krafttraining, vor allem für meine Knie aufgrund meiner Verletzungshistorie. Das alles zusammen gibt mir Stabilität und Sicherheit.
Nicolai: Das kann ich nur unterstreichen. Im Fußball ist der Körper dein Kapital. Da wäre es sehr fahrlässig, nicht auf dein Wohlbefinden und deinen Körper zu achten. Nur weil du gut und viel trainierst, hast du noch lange nichts erreicht. Da hängt viel mehr dran.
Habt ihr in eurem privaten Alltag einen Bezug zum Thema Nachhaltigkeit oder möchtet ihr noch etwas dazu teilen?
Nicolai: In diesem Punkt sollte jede Person ihren richtigen Umgang definieren und diesen dann auch so vorleben. Manchmal ist weniger mehr: weniger drüber reden, wie nachhaltig man lebt, sondern es dann auch konsequent im Alltag umsetzen. Das gelingt mir persönlich – so ehrlich muss ich sein – mal besser und mal schlechter. Aber ich versuche, da schon drauf zu achten und beispielsweise auch mal auf das Auto zu verzichten.
Jobina: Nachhaltigkeit bedeutet für mich, bewusst zu handeln und mein Verhalten immer wieder zu hinterfragen. Es geht nicht darum, alles perfekt zu machen, sondern Schritt für Schritt den eigenen Weg zu finden. Schon kleine Veränderungen im Alltag können viel bewirken – und genau da möchte ich ansetzen.
Vielen Dank euch beiden für das Gespräch!
SDGs?
SDGs ist die Abkürzung für Sustainable Development Goals. Es handelt sich um 17 globale Ziele für nachhaltige Entwicklung, die von den Vereinten Nationen verabschiedet wurden.