Chef-Greenkeeper Christoph Strachwitz ist Perfektionist, wenn es um Rasen geht. Mit moderner Technik sorgt er beim HSV für sattes Grün auf den Spielfeldern und schont dabei auch noch Ressourcen wie Energie und Wasser. Ein Rundgang.
Christoph Strachwitz geht vor der Nordtribüne in die Knie. Er zeigt auf ein paar Stellen im Rasen vor sich. Das Grün, eine Mischung aus Deutschem Weidelgras (Lolium perenne) und der Wiesenrispe (Poa pratensis), in Teilbereichen verstärkt durch Kunststofffasern, sieht für den Laien perfekt aus. Kräftig, strapazierfähig, schnell und dicht wachsend ist diese Mischung. Auf 25 bis 27 Millimeter Länge wird sie gemäht. Für Christoph sieht das Grün nicht perfekt aus. Hier eine Stelle, die zu viel Sonne abbekommen hat, dort etwas anders schimmernde Halme, die wahrscheinlich ein Rasenpilz verursacht hat, das sieht der Experte. „Der Rasen muss nicht nur gut sein, er soll auch gut aussehen“, sagt Christoph. Gibt es hier Löcher oder braune Stellen, dann wird das live im Fernsehen kommentiert. Hohe Anforderungen für die Greenkeeper, die trotzdem alles geben, um bei der Rasenpflege auch noch Wasser und Energie zu sparen.
Rundgang mit Christoph Strachwitz durchs Volksparkstadion, über die Trainingsplätze, durch die engen Katakomben. Der Chef-Greenkeeper verantwortet beim HSV alles, was im wahrsten Sinne grün ist. Christoph arbeitet seit mehr als 15 Jahren beim HSV. Schon als Jugendlicher wusste er, dass er einmal Greenkeeper werden möchte. Nach der Ausbildung in einem Garten- und Landschaftsbaubetrieb startete er beim Golf. Um fünf Uhr morgens die Putting-Greens mähen, allein im Morgengrauen, das hat ihm viel Spaß gemacht. Aber da gab es auch noch den Fußball, die andere Leidenschaft des Rasenfreundes. Christoph war zwar nie Profi, hat aber als Jugendlicher für den TSV 1860 München in der Junioren-Bundesliga gespielt. Er weiß also, was den Mannschaften, was dem Trainerteam an einem Rasen wichtig ist.
Die Spielfläche im Volksparkstadion ist immer in bestmöglichem Zustand, darum kümmern sich Chef-Greenkeeper Christoph Strachwitz und seine acht Mitarbeitenden jeden Tag – sogar am 24. Dezember wird im Stadion gemäht. Die Rasenpflege verbraucht einiges an Energie. Im Winter wird der Untergrund auf rund zwölf Grad Celsius geheizt, damit sich oben keine Eisschicht bilden kann. Aber auch während des restlichen Jahres braucht der Rasen im Stadion und auf den Trainingsplätzen Wärme von unten, um ideal wachsen zu können, diese Wärme bringt aber dann zum Glück die Natur von selbst. Beim Corporate Carbon Footprint 2022/23 war die Fernwärme mit 31,2 Prozent beziehungsweise 46,1 Prozent inklusive Vorkette der Hauptemissionstreiber. Mehr als ein Drittel dieser Emissionen ging auf das Konto des Greenkeepings, wobei die Trainingsplätze einen Großteil ausmachten.
Der Rasen muss nicht nur gut sein, er soll auch gut aussehen.
Christoph Strachwitz
Die Rasenpflege soll nachhaltiger werden. Das hat Grenzen. Christoph zitiert einen ehemaligen Leverkusener Trainer, der vor einigen Jahren an einem sehr kalten, nassen Wintertag sinngemäß sagte: „Im Profifußball gibt es keinen Winter.“ „Das ist die Messlatte“, sagt Christoph. Ein wenig ärgert ihn der Anspruch, der die Grenzen der Natur ignoriert. Andererseits merkt man dem Chef-Greenkeeper aber auch an, wie sehr ihn das anspornt. „Ich habe einen Hang zur Perfektion – leider“, sagt er und lacht. Für die Greenkeeper ist Nachhaltigkeit eine weitere Aufgabe. Christoph geht sie offensiv an. „Ich mag Innovationen – und hier ist es ja sehr spannend, wenn wir Energie, Ressourcen und Geld sparen können“, sagt er.
Rasenpflege ist eine Wissenschaft
Der Job als Greenkeeper in Hamburg hat es in sich. „Der Rasen im Volksparkstadion hat es nicht gerade leicht“, erklärt Christoph an der Torauslinie vor der Nordtribüne. Heiß ist es hier an diesem Junitag 2023, aber ein Großteil des Rasens liegt im Schatten. Kein Wunder, denn das Dach gehört zu den größten in Deutschland, das Stadion damit zu den dunkelsten. „Pflanzen brauchen aber Licht“, sagt Christoph. Um trotzdem gute Spielbedingungen zu schaffen, braucht es viel Fachwissen und Hilfe von Maschinen. Mehrmals in der Woche lässt Christoph eine UVC-Beleuchtungsmaschine über den Rasen fahren. Das tötet die Pilzsporen in der Grasnarbe – der größte Gegner der Greenkeeper. Denn gerät so ein Pilz, der in jedem Rasen vorkommt, außer Kontrolle, kann dies bis zu einem Totalschaden und einem Rasentausch mit Kosten von rund 150.000 Euro führen.
Es passiert viel in Sachen Nachhaltigkeit und Rasen. Denn der HSV hat sich auf den Weg gemacht, auch hier seinen Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz zu leisten. In der WM-Pause ab Mitte November 2022 verzichtete der Club auf die Beheizung des Stadionrasens und reduzierte die Beheizung der Trainingsplätze. Aber auch im laufenden Betrieb sollen Innovationen für Einsparungen sorgen. Der HSV ist dran an der Rasenwärmewende. So laufen unter dem Rasen im Volksparkstadion seit mehr als einem Jahrzehnt drei Heizkreise. Damit lässt sich die Wärmezufuhr besser steuern, kommt doch vor der Südtribüne kaum Sonne auf den Rasen, während die Pflanzen vor der Nordtribüne etwas Sonne sehen.
Noch vor Kurzem gab es nur zwei Varianten bei der Wärmezufuhr für die Trainingsplätze: auf Volllast an oder aus. Jetzt kommen frequenzgesteuerte Pumpen zum Einsatz, die eine Energieeinsparung im laufenden Betrieb zulassen. Drei Pumpen sind schon ausgetauscht, weitere folgen, damit die Zufuhr noch besser reguliert werden kann. Das spart Wärme und Strom für die Pumpen, die weniger stark laufen müssen. Die Rasenmäher im Stadion sollen bald auf Akkubetrieb umgestellt werden – das schont nicht nur die Umwelt, sondern auch die Ohren. Die Greenkeeper könnten dann jederzeit mähen, ohne etwa Interviews oder Stadionführungen zu stören.
Wasser wird zu einem knappen Gut
Stopp in Christoph Strachwitz’ Büro. Der Blick ins Stadioninnere, direkt über der Pressetribüne, der ist nicht nur eindrucksvoll, er ist auch wichtig für die Arbeit. Läuft mal ein Rasensprenger zu lange oder gibt es sonst Probleme mit der Technik, sieht das der Greenkeeper auf den ersten Blick. Fast alle technischen Abläufe kann Christoph mittlerweile mit dem Handy steuern. Meldet ihm nach Feierabend der Regensensor am Volkspark Niederschlag, kann er die Beregnung ausstellen – und so wertvolles Wasser sparen. „Noch geht es uns hier in Hamburg ja gut“, sagt Christoph mit Blick auf das Grundwasser. Doch auch hier wird das Wasser irgendwann zu einem knappen Gut.
Bundesligarasen ist durstig. Die speziell für den Profisport gezüchteten Gräser brauchen viel Wasser, weil ein Großteil durch die geforderten durchlässigen DIN-Aufbauten rinnt. Bei trockenen Böden steigt zudem die Verletzungsgefahr für die Spielerinnen und Spieler. Christoph hofft, dass irgendwann das Gießwasser aufgefangen und erneut genutzt werden kann, wie es etwa beim englischen Premier-League-Club Leichester City gerade umgesetzt worden ist.
Eine Innovation sieht man beim Rundgang durch die Katakomben des Stadions. „Das Ding kann einiges“, sagt Christoph und zeigt auf das SKW-System. Der Siekmanns-Kalk-Wandler, ein unscheinbarer blauer Zylinder, verändert mit einem Magneten die Oberflächenspannung des durchfließenden Wassers. Klingt kompliziert? Der Chef-Greenkeeper erklärt es so: Aus einem Wassertropfen werden sehr viele kleinere Wassertropfen. Die Tropfen werden feiner und können besser und tiefer in den Boden eindringen, der Sauerstoffanteil steigt zudem um etwa fünf Prozent. Die Pflanzen können so Nährstoffe besser aufnehmen, der HSV verbraucht dadurch weniger Wasser und auch weniger Dünger.
Manches kann auch der erfahrene Greenkeeper nicht mit bloßem Auge sehen. So setzen von Trockenheit oder Pilzen angegriffene Rasenpflanzen weniger Chlorophyll um. Das kann Christoph sichtbar machen – mit Bildern einer Spezialdrohne, die er über die Rasenplätze des HSV fliegen lässt. Am Bildschirm zeigt er die Fotos. Scheint alles rot, dann ist alles gut. Ein paar Stellen sind bräunlich. „Die schauen wir uns dann direkt an“, sagt Christoph.
Loslassen kann der Rasenexperte auch zu Hause nicht. „Der Rasen in meinem Garten? Der hat Profiniveau, der könnte in der zweiten Liga eingesetzt werden.“ Christoph schmunzelt, es war aber kein Scherz. „Wenn meine Kinder mit Freunden kicken, dann kommen die immer zu uns“, sagt er und lacht.
SDGs?
SDGs ist die Abkürzung für Sustainable Development Goals. Es handelt sich um 17 globale Ziele für nachhaltige Entwicklung, die von den Vereinten Nationen verabschiedet wurden.