NACHHALTIGKEITSSTRATEGIE

Fotos: Marius Maasewerd

Ob ökologische Verantwortung, soziales Engagement oder Compliance und Unternehmensethik – Nachhaltigkeit wird auch im Profifußball immer wichtiger. Wie die Nachhaltigkeitsstrategie entstanden ist, in welchen Handlungsfeldern der HSV aktiv ist und welche Schwerpunkte gelegt werden, erklärt Marieke Patyna, Chief Strategy, People & Sustainability Officer (CSO) und Prokuristin der HSV Fußball AG, im Interview. In dieser Funktion ist sie unter anderem für die Nachhaltigkeitsstrategie und -maßnahmen sowie die Nachhaltigkeitskommunikation verantwortlich.

Marieke, der HSV hat mit dem vorliegenden Nachhaltigkeitsbericht den ersten dieser Art seit 2011 erarbeitet. Wie kam es dazu?
Es gibt vier wesentliche Faktoren: Ein Faktor ist das Interesse unserer Stakeholder. Im August 2021 hat die Mitgliederversammlung dem Antrag von Julius Bartel auf Einführung eines jährlichen Nachhaltigkeitsberichtes des Hamburger Sport-Verein e.V. zugestimmt. Gemäß dem Antrag soll sich der Nachhaltigkeitsbericht an den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen, den Sustainable Development Goals (SDGs), orientieren.

Antrag von Julius Bartel auf Einführung eines jährlichen Nachhaltigkeitsberichts

„Das Präsidium des Hamburger Sport-Verein e.V. wird jährlich zum Abschluss eines Geschäftsjahres wieder einen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlichen und dessen wichtigste Inhalte in den jeweiligen Bericht für die Mitgliederversammlung aufnehmen. Erstmals soll der Bericht zum Abschluss des Geschäftsjahres 2022/23 veröffentlicht werden.

Der Bericht soll sich an den Sustainable Development Goals (SDG) der Vereinten Nationen orientieren. Das Präsidium soll dabei die für ihn relevanten Nachhaltigkeitsziele definieren, zu dessen Erreichung es in dem ihm möglichen Maße beitragen wird. Die Ziele sind vom Präsidium in Zusammenarbeit mit den Gremien des Vereins zu erarbeiten.

Das Präsidium verlangt und prüft die Einhaltung der Ziele auch bei allen Tochtergesellschaften und wird im Rahmen seiner Möglichkeiten versuchen, dass diese Ziele analog auch bei der HSV Fußball AG umgesetzt werden.“

Ein weiterer Faktor ist die im Mai 2022 verabschiedete DFL Nachhaltigkeitsrichtlinie, die im Rahmen der Lizenzierung für den Spielbetrieb der Bundesliga und der 2. Bundesliga unter anderem den Nachweis eines Nachhaltigkeitsberichtes der HSV Fußball AG fordert. Außerdem wird die HSV Fußball AG gemäß der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) ab der Saison 2025/26 verpflichtet sein, die Nachhaltigkeitsberichterstattung in den Lagebericht zu integrieren. Die dafür maßgeblichen European Sustainability Reporting Standards (ESRS) wurden Ende Juli 2023 verabschiedet.

Und nicht zuletzt entspricht es unserem Selbstverständnis, dass wir transparent über unsere Nachhaltigkeitsmaßnahmen und den Fortschritt bei der Erreichung unserer Nachhaltigkeitsziele berichten. Alle vier Faktoren haben dazu geführt, dass wir uns bewusst entschieden haben, einen gemeinsamen Nachhaltigkeitsbericht der HSV Fußball AG und des Hamburger Sport-Verein e.V. zu erstellen.

Welches Verständnis von Nachhaltigkeit liegt eurer Arbeit beim HSV zugrunde?

Für uns steht die Frage im Mittelpunkt, wie wir Verantwortung für die Auswirkungen unserer Tätigkeiten auf die Gesellschaft und die Umwelt übernehmen können. Dabei orientieren wir uns an der Definition von Nachhaltigkeitsfaktoren durch die Europäische Union. Dazu gehören Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmendenbelange, die Achtung der Menschenrechte sowie die Bekämpfung von Korruption und Bestechung.

Wir agieren als Unternehmen beziehungsweise Verein und als Multiplikator: Als Unternehmen beziehungsweise Verein beschäftigen wir uns damit, wie wir unsere Prozesse nachhaltig weiterentwickeln können. Als Multiplikator beschäftigen wir uns damit, wie wir Menschen auf diesem Weg der nachhaltigen Entwicklung mitnehmen können.

Perspektivisch werden wir im Sinne der doppelten Wesentlichkeit auch über die Auswirkungen der Nachhaltigkeitsaspekte auf uns als Unternehmen beziehungsweise Verein berichten.

Was bedeutet das für dich in deiner Rolle beim HSV?

In meiner Arbeit geht es nicht nur um die erwähnten Dimensionen, sondern auch viel um Kommunikation – mit internen und externen Stakeholdern. Für mich ist ein kontinuierlicher Austausch zu Nachhaltigkeitsthemen essenziell, weil wir eine nachhaltige Zukunft nur zusammen gestalten können. So wie sportlicher Erfolg nur im Team gelingt, so werden wir die Herausforderungen unserer Zeit nur als Weltgemeinschaft meistern.

Mein Blick auf das Themenfeld hat sich durch die Delegationsreise nach Indien in Zusammenhang mit der Initiative „Vom Feld in den Fanshop“ Anfang 2023 noch mal geweitet. Einblicke in den Alltag vor Ort und in die Prozesse am Anfang der Textillieferkette zu bekommen war eine unglaublich wertvolle und prägende Erfahrung. Ich fand es beeindruckend, zu sehen und zu erleben, welche positive Wirkung die Initiative entfaltet.

Als Multiplikator beschäftigen wir uns damit, wie wir Menschen auf diesem Weg der nachhaltigen Entwicklung mitnehmen können.

Marieke Patyna

Wie seid ihr bei der Entwicklung eurer Nachhaltigkeitsstrategie vorgegangen?

Im August 2018 haben wir mit einer mehrschichtigen Bestandsaufnahme und Datensammlung begonnen. In diesem Zuge habe ich eine Umfrage unter allen Kolleginnen und Kollegen durchgeführt, um bisherige Aktivitäten im Nachhaltigkeitskontext zu erheben und weitere Ideen zur Umsetzung der SDGs zu generieren. Wir haben geschaut, auf welchem Stand die Initiativen sind, was sich verbessern und bündeln lässt, aber natürlich auch, was zusätzlich angestoßen werden muss. Immer geleitet von der Frage, was für uns wesentlich ist. Auf dieser Grundlage ist unsere Nachhaltigkeitsstrategie entstanden, die regelmäßig weiterentwickelt wird. Wir bauen darauf, dass alle Kolleginnen und Kollegen Nachhaltigkeit in ihren Arbeitsbereichen mitdenken und integrieren.

Anfang 2021 habe ich in einem weiteren Schritt die bestehenden und anvisierten Maßnahmen gegliedert und in die vier Handlungsfelder Heimathafen, Umwelt, Arbeitswelt und Spielregeln geclustert.

Als Nächstes haben wir im August 2022 einen SDG-Workshop durchgeführt, zu dem wir Fanvertretende eingeladen haben. Wir haben uns mit Blick auf die SDGs angeschaut, wie hoch der positive Beitrag und wie hoch die negativen Auswirkungen des HSV für Umwelt und Gesellschaft sein können. Anhand einer SDG-Matrix haben wir ermittelt, welche zehn SDGs relevant sind für uns als Unternehmen und Verein. Anschließend haben wir die entsprechenden Unterziele priorisiert. Im Nachgang haben wir die priorisierten Unterziele wiederum mit den bestehenden und anvisierten Maßnahmen abgeglichen. Folgerichtig sind die HSV Fußball AG und der Hamburger Sport-Verein e.V. seit Dezember 2022 Mitglied im UN Global Compact – als zweiter Profifußballverein überhaupt in Deutschland nach Borussia Dortmund.

Die vier Nachhaltigkeitshandlungsfelder des HSV
  • Heimathafen: Hamburg ist unsere Heimatstadt und das Volksparkstadion unser Wohnzimmer. Dort, wo wir zu Hause sind, übernehmen wir gesellschaftliche Verantwortung.
  • Umwelt: Als Organisation sind wir uns unserer ökologischen Verantwortung bewusst. Wir arbeiten kontinuierlich daran, einen immer größer werdenden Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz zu leisten.
  • Arbeitswelt: Als Arbeitgeber gilt der Teamgedanke für uns auf und neben dem Platz. Wir entwickeln die Strukturen unseres Arbeitsalltages und unsere Arbeitsabläufe nachhaltig weiter.
  • Spielregeln: Als Sportverein wissen wir um die Bedeutung von Spielregeln für die Zusammenarbeit. Wir übernehmen im Rahmen unserer Tätigkeit Verantwortung für die Umsetzung dieser Spielregeln.

Was hat dich bei dieser Arbeit besonders überrascht und war für dich persönlich besonders interessant?

Besonders hervorzuheben sind die Offenheit und das Interesse bei vielen Stakeholdern. Wir haben allerdings auch erlebt, dass das Wissen über die Bandbreite von Nachhaltigkeit in der Gesellschaft zum Teil noch ausbaufähig ist. Da sehen wir ein großes Potenzial, dass wir neben unserer Rolle als Unternehmen beziehungsweise Verein auch als Multiplikator das Themenfeld Nachhaltigkeit voranbringen, Menschen informieren, sensibilisieren und zum Mitmachen motivieren. Denn das ist ja auch ein Teil von Nachhaltigkeit: Es geht um den langfristigen Erfolg, um gemeinsame Werte und eine lebendige Kultur in diesem Traditionsverein. So können wir gemeinsam dafür sorgen, dass wir zukunftsfähig aufgestellt sind, gesellschaftlich relevant bleiben und positiv wirken.

In eurer Nachhaltigkeitsstrategie weist du auf den Unterschied zwischen Nachhaltigkeitsmission und -vision hin. Warum ist das wichtig?

Die Mission fasst den Zweck der Organisation in Bezug auf Nachhaltigkeit zusammen. Sie findet sich seit Anfang 2023 auch in den Satzungen der HSV Fußball AG und des Hamburger Sport-Verein e.V. wieder.

Die Vision als Gestaltungsziel enthält die Beschreibung des Zukunftsbildes der Organisation in Bezug auf Nachhaltigkeit. Unsere Vision lautet: „Nachhaltigkeit im Handeln wie die Raute im Herzen.“

Nachhaltigkeitsparagrafen

Nachhaltigkeit ist in Paragraf 2 Absatz 5 der Satzung der HSV Fußball AG verankert: „Die Gesellschaft ist dem Leitbild Ehrbarer Kaufleute verbunden und richtet ihr Handeln darauf aus, einen Beitrag zur Nachhaltigkeit zu leisten. Dabei setzt die Gesellschaft die Kraft des Fußballs ein, um als Multiplikatorin für nachhaltige Entwicklung zu fungieren.“

Zudem ist Nachhaltigkeit in Paragraf 2 Absatz 5 der Satzung des Hamburger Sport-Verein e.V. verankert: „Der Verein richtet sein Handeln darauf aus, einen Beitrag zur Nachhaltigkeit zu leisten. Dabei setzt der Verein die Kraft seiner Gemeinschaft und des Sportes ein, um als Multiplikator für nachhaltige Entwicklung zu fungieren.“

Welche Schwerpunkte habt ihr zuletzt gesetzt?

Ein Ergebnis unserer Bestandsaufnahme war, dass wir im Sozialen bereits viel vorweisen konnten, der größte Optimierungsbedarf lag für uns hingegen im Ökologischen. Wir mussten Informationen zusammentragen, Daten erheben und Prozesse zum Teil überhaupt erst einmal aufbauen. Aber wir haben inzwischen schon einiges erreicht. Beispielsweise haben wir unseren Carbon Footprint für die Saisons 2021/22 und 2022/23 ermittelt. Das ist die Grundlage, um im nächsten Schritt Ziele zur Vermeidung und zur Reduktion von Treibhausgasemissionen zu formulieren.

Wann immer wir unsere Infrastruktur modernisieren, können wir Nachhaltigkeitsaspekte gut von Anfang an berücksichtigen. Zum Beispiel, indem wir schauen, welche Investitionen sich besonders lohnen, weil wir dadurch auf lange Sicht Ressourcen einsparen. Auch hier ist der Weg das Ziel: Je mehr Wissen wir sammeln und je mehr Datenpunkte zur Verfügung stehen, desto besser werden wir.

Zudem haben wir als Arbeitgeber im Februar 2023 erstmals einen Corporate-Volunteering-Day durchgeführt und erneut die Aktion „Hamburg räumt auf!“ unterstützt. Das ist ein gutes Beispiel dafür, wie wir Umweltschutz erlebbar machen und gleichzeitig für den bewussten Umgang mit Abfall sowie für nachhaltigen Konsum sensibilisieren.

Warum habt ihr euch dafür entschieden, diesen Bericht wie ein Magazin zu produzieren und die Inhalte möglichst verständlich zu kommunizieren?

Nachhaltigkeit geht nur authentisch und muss zu unserer DNA passen. Uns ist klar, dass ein Nachhaltigkeitsbericht von außen manchmal komplex erscheint. Die Inhalte zu vermitteln funktioniert häufig besser über die Geschichten hinter den trockenen Zahlen. Mit der Gestaltung als Magazin wollen wir Interesse an den Geschichten und damit am Themenfeld Nachhaltigkeit wecken und fördern. Und gleichzeitig ist es eine Einladung zum Dialog.

Dieser Bericht zeigt den aktuellen Stand. Wie geht es weiter?

Nachhaltigkeit wird nie ein Zustand sein, sondern immer ein Prozess der nachhaltigen Entwicklung. Die Herausforderungen unserer Zeit erzeugen einen Handlungsdruck. Wir können als Vorbild vorangehen und einen echten Unterschied machen – zusammen mit unseren Fans und Partnern.

Nachhaltigkeit soll in jedem Prozess und bei jedem Thema mitgedacht und integriert werden. Dabei ist es wichtig, dass die Nachhaltigkeitsstrategie und die übergeordnete Unternehmensstrategie verzahnt sind.

SDGs?

SDGs ist die Abkürzung für Sustainable Development Goals. Es handelt sich um 17 globale Ziele für nachhaltige Entwicklung, die von den Vereinten Nationen verabschiedet wurden.

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